Meine Geschichte mit ganz vielen Tabuthemen lässt mich einsam fühlen. Die Narrative für meine Erfahren gibt es fast nicht. Gewalterleben und Übergriffe durch Nahestehende und Institutionen sind unter Menschen in ein Kleid von Schweigen gehüllt. Vorlagenlos suche ich Worte für mein Erfahren(es), um nicht isoliert mit der Gewalt in mir zu Grunde zu gehen. Missbrauchte gewesen zu sein und damit weiter zu leben erschöpft mich. Scheitern im Selbstmanagement und eingehen in die einsame Bedürftigkeit, die unter der Angst wieder Verletzt zu werden ausgehungert agiert. Auf dem unstillbaren emotionalen Hunger und dem tiefen Schmerz beruhen unzählige Versuche Sicherheit, Geborgenheit und Kontakt aufzubauen nur um dann wieder von den Angstwächtern zunichte gemacht zu werden. Eine einsame Heldin und totale Katastrophe, so bin ich in meinen Augen. Mein Mut mit Schwierigem raus zu gehen ist da. Worte aus meiner Bibliothek folgen. Ich werde schreiben solange ich es (noch) kann. Wer will kann in die Fußstapfen treten und etwas Eigenes (zurück) schreiben.
Die auf den verschiedenen Kieferoperationen und dem temporären am linken Auge Erblinden beruhende Unsicherheit und Sprachlosigkeit bringt mich noch intensiver in die Innenschau und essentiellen schreibenden Ausdruckskanal. Er ist der Kommunikationsraum für die existenziellen Prozesse, die derzeit mein Erleben formen. Meine Sein möchte auf Papier, meine Wahrnehmung möchte verstehbar werden, meine Versuche sind zahlreich, der Ausgang wie immer offen und führt womöglich in einen Eingang. Mir schreibend als Gegenüber den Raum der Erlaubnis halten mit dem Atem als meinem Partner. Alles was ich schreibe ist ein Ausflug in Wahrhaftigkeit. Nirgends kann ich so ehrlich sein wie im Schreiben. Ich traue mich meine Geschichte zu schreiben wie sie im Moment da ist ohne Weglassen und Dazudichten. Ich mache (mir) keinen schönen oder schaurigen Maskenball, sondern bewege mich im Schreiben Wort für Wort an den Klippen der radikalen Ehrlichkeit. Dabei immer wieder Leere wahrnehmen und die Sehnsucht nach dem (respektiert) Werden des Eigenen und der Eigenzeit in den Prozessen. Es gibt keinen Raum zurück ins Funktionieren. Im Tal von den spitzigen Bergen verabschiedet sich alles und jeder. Dastehen in der Eingangswelt zum Totenreich und alles zurücklassen, vor allem die Verletzungen, um letztlich vielleicht als geläuterte Seele lebendig zu sterben.
Keine Erinnerung geht jemals verloren, selbst wenn wir noch keine Sprache und Bilder dafür hatten. Unser Körper vergisst nie. Alles bleibt gespeichert im Nervensystem und sorgt für Körpererinnerungen, bei mir vor allem Körpertraumareinszenierungen. Ich bin aufgewachsen mit einem Gefühl von Leere, Getrenntheit, einem tiefen Loch in mir, einer Angst, nicht zu bekommen, was ich brauchen, einem unstillbaren (emotionalen) Hunger. Vielleicht sind wir ja alle mehr oder weniger tief verwundet als westliche Gesellschaft und haben uns im großen Stil etwas sehr Wertvollem beraubt. Unser erstes somatisches Erlebnis von Liebe, zusammen mit dem warmen Hautkontakt und einem Gefühl von tiefer Geborgenheit.
Warum ist mein Körper in diesen chronischen Krankheitsschleife und was erhält sie am Leben? Die Antwort ist meine Lebensgeschichte mit frühkindlichen Traumata voller Ohnmachtserfahrungen die nun in einem Schutzwall an Kontrollverhaltensweisen eingesperrt mein Leben, Ernährungs- und Bewegungsverhalten bilden. Ich glaube so wenig an mich, traue mir wenig zu. Vor allem aber habe ich fast kein Vertrauen in die Welt und die Menschen, dass meine Bedürfnisse erfüllt werden würden. Dass ich wirklich satt werde mit dem, was ich individuell brauche. Das ist der andere Teil der Wahrheit, mein Körper kann nicht gut mit Nahrung umgehen und ich kann nicht gut mit mir und der Welt sein. Eigentlich ist mein Körper das Vertrauensvollste was ich habe. Meinem Verstand zu trauen wäre ein verrückter Akt und die Gefühle sind ähnlich labil gelagert.
Verschiedene Muster tauchen in meinem Leben auf: Das Pendeln zwischen diszipliniertem, krankheitsbedingten benötigten Ernährungs- und Bewegungsverhalten und erschöpften überwältigenden Schwierigkeiten mich tagsüber zu irgendetwas aufzuraffen. Ab und zu kommt es zu die Leere füllenden abendlichen Essattacken in Form von verbotenen Lebensmittel (die richtig Guten, die mit den Gluten). Askese dominiert fast immer, der Kopf kontrolliert die Zutatenliste schon beim Einkauf und Einladungen werden selten angenommen; vor allem wenn sie mit gemeinsamer Nahrungszufuhr geplant sind. Ab und zu rebelliert mein Inneres (Kind) und ist mit nichts mehr zu beruhigen. Ein andauerndes inneres Schreien nichts zu bekommen, keine Freude, keinen Genuss. Der Druck wird großer und irgendwann wenn es im Außen auch noch stressig ist, zum Beispiel weil ich mich verletzt, verlassen und einsam fühle, treibt es mich in den Konsum von leeren Kohlehydraten. Da gibt es doch noch ein Geschenk im Tiefkühler selbstgemachte Laugenstangerln. Und wenn nicht, dann gibt es diese großen Häuser die Milchstollen in Großpackung an die Frau bringen. Zum eingraben gut. Momente des Kontrollverlustes, die üble Folgen haben (Blähungen, Durchfall, Entzündungen, Nachtschweiß) und meine chronischen weiter Krankheiten anheizen. Im Moment geht nicht mal diese Notbefriedigung aus Mangel an Beißvermögen.
Und so zeigt es sich deutlich, dass alltägliche Unvermögen Lebensfreude zu empfinden, mir Genuss zu gönnen und zugleich die Angst damit zu kurz zu kommen. Mit Genuss körperliche chronische Beschwerden schmerzhaft zu provozieren. Doch dies ist nur die halbe Wahrheit. Ich verstecke mich mit den Krankheiten auch ein Stück weit, weil ich mir selbst wenig vergönne und dann wieder im Überfüttern ein emotionales Loch der fehlenden Geborgenheit im Leben kompensieren will. Kompensationslos leben macht klar.
Tiefe Verletzungen bestimmen alles für immer, da kann man und frau nichts tun. Wie oft habe ich im mir endlich Hilfe holen erlebt, dass die mich im Stich lässt oder noch tiefer verletzt und meine Schmerzen vermehrt anstatt zu lindern. Überall wo ich hingehe bringe ich meinen Schmerz mit rein, selbst wenn ich ihn unterdrücke. Der tiefe Schmerz berührt alle meine Erfahrungen, durchdringt sie, verdirbt sie. Ich verderbe alles. Wenn ich laut werde, womöglich gar schreie oder weine, erzeuge ich Not bei anderen und sie wenden sich ab. Überall in mir ist auch Schmerz und ich kann nirgends hin damit. Ich muss es alleine schaffen und das funktioniert einfach nicht. So möchte ich nicht weiter leben und bin dennoch damit in meiner Ohnmacht zugegen. Meine Bodenlosigkeit ist nicht änderbar. Das große unerfüllte Liebesloch bleibt genauso wie der unstillbare Hunger. Dort wo Mangel herrscht fehlt es an Liebe. Und dort wo Liebe fehlt herrscht Mangel. Ich brauche einen Menschen, der mein Verderben (aus)hält. Und ich traue das keinem zu.
Im den Film meiner Lebensgeschichte hier schreibend anhalten, realisiere ich wie sehr ich ein Gefühl von Geborgenheit brauche. Mein Körper lügt nicht, er leidet, weil ich im Mangel an Liebe lebe. Da ist sie die Erinnerung an meine Urwunde. Mein Verstand ist enttäuscht von meinem Körper. Er nutzt ihn als Projektionsfläche. Eigentlich ist er enttäuscht vom Leben und den Menschen. Und fragt mich wie es möglich ist mich wirklich tief zu nähren. Nichtwissen immer wieder. Wolken des Nichtwissens türmen sich in alle Richtungen auf. Mein Verstand kennt die Liebe nicht. Ich kann aufhören mit ihm nach ihr zu suchen. Der Lebensfilm läuft weiter und meine Augen sind auf der Suche nach Liebe, die Füße können Schritte machen, die Hände können nur Milchbrötchen greifen. Es ist ein leeres Leben das Meinige.
Ausgehungert an Berührung… Berührung mein tiefstes Sehnen und meine vermisste Wahrheit!
Ab und zu spüre ich meine natürliches Wesen, das wahrhafte, unschuldige Berührung leben möchte, frei von Bewertung. Schlichter wahrhaftiger Austausch auf Augenhöhe, einfühlsam und achtsam. Und da ist sooooo viel in den Zellen abgespeichert aus dem eigenen Leben und den Ahnenlinien! Ich spüre immer wieder die tiefe Angst, missverstanden zu werden und missbraucht zu werden. Da ist es wieder das Tabuthema des Missbrauch. Das unsichtbare Damoklesschwert über meinem Kopf und der schützende Brustpanzer. Ich erlebe und spüre mich selber als Wesen, dessen Essenz verletzte Berührung ist! Es liegt so sehr in meiner Natur zu berühren, zu halten, mich anzuschmiegen… und gleichzeitig habe ich über viele Jahre so viel Ablehnung, Missbrauch und Missverstanden-werden erlebt. So gehe ich seit Jahren einen verzweifelten Weg der Heilung des berührbarer Werdens. Ich wünsche mir von ganzem Herzen Menschen, mit denen ich all das leben kann. Ein paar sind schon da, ich danke ihnen hiermit aus meinem Innersten dafür.
Da sind zwei Anteile: Der Eine, der in Verbindung sein will, der Nähe und Gemeinschaft will und der Andere (der sich überlastet, überfordert, ausgelaugt, erschöpft fühlt), der einfach immer nur denkt: „Geht alle weg! Was wollt Ihr von mir? Der auch aus den Erfahrungen resultiert und erlebt hat, dass die eigenen Bedürfnisse nicht zählen, sondern nur die der anderen und der Gemeinschaft, der sich alles unterzuordnen hat. Erschreckt hatte mich vor einiger Zeit, dass ein großer Teil von mir gerade gar nicht geben möchte, sondern selber nur empfangen. Ich möchte hingebungsvoll offen daliegen, genährt und verwöhnt werden und mich dabei vollständig sicher und gehalten fühlen, so lange, bis ich satt bin. Da ist der Wunsch eingeladen zu werden, es mir auf einem Schoss ganz gemütlich zu machen, meinen Kopf in der weichen Kuhle eines Schlüsselbeins zu spüren. Dort darf ich atmen, ein und aus, und mich geborgen fühlen. Die Wärme, den Atem, den Schmerz und meinen verängstigt erstarrten Körper spüren. Wir sitzen so und vergessen die Zeit, es gibt keinen Druck, kein Muss, keine Termine. Ich bin da, ich bin so lange da, wie wir es mögen. Es gibt nur das Gefühl der Wärme, den Rhythmus des Atems und das Schlagen zweier Herzen.
Es ist mir so bewusst geworden, wie blockiert ich war und bin mit dem auf der Ablehnung meines natürlichen Flusses an auf andere zugehen, berühren, umarmen auf der einen Seite und auf der Angst, wirklich tief berührt und gehalten zu werden aus Angst vor Missbrauch auf der anderen Seite. Pures Sehnen aufgeben zu dürfen und mich halten zu lassen und dann wenn es möglich ist bemerken wie der Körper festhält. „Gib auf“ kommt die Einladung von einer Frau und millimeterweise sinkt der Körper in die vertrauensvollen Hände, um wieder ins Festhalten zurückschrecken, hin und her erleben und damit geht etwas in Heilung. Da ist ein Mensch der mich zeitweise auch in meinem Schmerz aushalten und halten kann. Nichts an mir ist verkehrt findet und mit mir da bleibt für einen Bruchteil einer Stunde. Eine Frau bleibt mit mir da auch in meinem Abgrund. Das ist das Größte, die tiefste Entspannung. Mich in dem spüren was da ist hat die Qualität die ich leben möchte in allen Ebenen. Wahrhaftigkeit ist das Einzige was noch geht und mich noch führt.
Kein Stein wird auf dem anderen bleiben. Kein Mantel des Schweigens wird bestehen bleiben. Ein jeder Tag ist eine Einladung Altes zu bereinigen und Neues zu erleben. Das Leben hilft mit den Weg zu weisen. Die äußeren Augen zu richten auf Unstimmiges. Die inneren Augen zu richten auf Wahrhaftiges. Ich versuche aus dem Stocken ins Fließen zu kommen. Fließe im freier werdenden Willen mit im Fluss des Lebens. Im Großen sind wilde Wasser vorgesehen. Abwehrtürme, die einstürzen. Weltbilder, die sich in Rauch auflösen. Illusionen, die zu Asche zerfallen. Mein Lebenskonto bereinigt sich. Rauch und Asche rauben mitunter den Atem und die Sicht. Und es ist fruchtbare Asche, wenn ich ehrlich bin wird daraus etwas entstehen. Ich werde Himmel und Hölle für mich in Bewegung setzen, um zu erfahren wie fehlendes Vertrauen heilt.
Vielleicht durch das Finden und Sammeln von weiteren Puzzleteilen meiner persönlichen Geschichte. Ich möchte gerne ein neues vertrauensvolles Kapitel schreiben, wo das Leben, Essen und Bewegen (müssen und nicht gut mir angemessen können) nur mehr ein kleines Thema ist. So dass es mich nicht mehr in eine starke Stress-Zusammenklapp-Achterbahn bringt. So dass es symptomatisch wird und sich in körperlichen Missempfindungen ausdrücken muss. So dass ich nicht mehr den tiefen Schmerz des in der Welt nicht geborgen Seins und die Sehnsucht nach liebevollen Halt kompensierend, meine Bedürfnisse bis Begierden kriegerisch unterdrückend aushalten muss. So dass ich einfach mit viel mehr Freude durch den Fluss des Lebens, durch Geben und Nehmen navigieren kann. So dass ich wahrhaftig leben kann.
Vorerst annehmen wie es ist. Etwas in mir will heilen und ich kann es nicht. Also mein Unheilsein erlauben. Meine Brüchigkeit, Bodenlosigkeit, Widerwärtigkeit… all das Widerstrebende und die Ohnmacht. Kaputt sein und bleiben. Verletzt sein und übel bleiben. Scheitern und schreiben. Riskieren, dass nichts aus mir wird. Alles Gewordene hat zu nichts geführt. Also weiterleben im Niemandsland.