„Atme es aus!“ – „Lass die Vergangenheit endlich ruhen“ – „Schüttel dich, klopfe, lenke dich ab“ – „Entferne die Blockaden“ – „Durchfühlen bis es nicht mehr triggert“ – „Gib es in einem Ritual an Gott ab“ – „Stell es auf und bring Ordnung in dein System“ – „Schau in die Sonne“ – „Löse deinen Körper“ – „Teil dich mehr oder weniger ehrlich mit“ … „Weg mit dem Scheiß, sei Anders!“
Auf meiner Reise der Traumaheilung, verzweifelt und erschöpft, griff ich jahrelang nach jedem Strohhalm. Was habe ich alles getan, um all diese unangenehmen Gefühle und Körpersymptome los zu lassen! Sie nicht mehr zu fühlen, sie nicht mehr zu haben! Zahlreiche Psychotherapie Sitzungen, Selbsterfahrungseminare, Holothrophes Atmen und andere Breathwork Sessions, Meditationen, Yoga, Körperarbeit, Schamanismus, Pfanzenmedizin, psychedelische Substanzen, Energiearbeit, Entgiften, Ernährungsallerlei, Jahrzehnte spirituelles Entwicklung bei diversen Lehrern, Schattenarbeit, ehrliches Mitteilen, Selbsthilfegruppen, zuletzt sogar Tantra alles probiert, um mich zu heilen, um endlich endlich gewollt und geliebt zu werden.
Es war die Suche am falschen Ort, oder: Der Wunsch, endlich fündig und satt zu werden. Nämlich bei anderen Menschen, bei Therapeutinnen, Lehrern, Coaches, Gurus, Begleiterinnen, Schamanen und in allen Arten von Beziehungen. Überall nur nicht in mir, bei mir, alleine, weil da ist ja nur Mangel und Fehlen wie die eigene Überzeugung mich basierend auf den gemachten Erfahrungen der Ablehnung lehrte. Gleichzeitig erzählt mein Verstand auch, dass ich alleine klarkommen muss und ohnehin niemand mir helfen kann. Also ich war überzeugt wen zu brauchen und gleichzeitig davon niemand haben zu dürfen. Das ist die Schizophrenie meines Kopfes.
Trotz der Resignation, des Unsinns, der Unmöglichkeit, war da ein tiefer Hunger, endlich genährt, gesehen, gehört, verstanden, ja, bedingungslos geliebt zu werden – so wie ich bin. Man könnte auch sagen: Ich suchte verzweifelt nach etwas, was mir als Kind fehlte und mir auch heute noch verweigert wird: Anteilnahme, Verbindung, das Gefühl, dass ich geliebt, angenommen und willkommen bin, so wie bin. Die Empfindung geborgen unter Menschen zu sein und bleiben zu dürfen.
Aber Menschen, haben selbst so großen Hunger, eine so riesige Sehnsucht nach Zuwendung, Gesehen-, Gehört-, Gefühlt-, Geliebt- und Gespiegeltwerden, dass sie mich nicht nähren, sondern nur ausbeuten können – um endlich selbst zu bekommen. Und das kann ich zunehmend sehen, die Unmöglichkeit hinnehmen und wirklich emotional aufgeben noch wen zu suchen der mir etwas ermöglicht, weil nur ich es mir ermöglichen kann oder eben darauf zu verzichten habe.
Ich fesselte mich damit an Menschen, an einen Alptraum, ein Trauma, einen leeren Trog, eine unersättliche Bettelschale. Ja ich fesselte mich, es ist meine Verantwortung. Es war die Hoffnung, endlich von jemanden geliebt, wertgeschätzt, versorgt zu werden. Mich endlich einmal wirklich unterstützt, gesehen, wohl zu fühlen, mit der ich mich selbst immer wieder verletzt statt geheilt habe. Und es fühlt sich vertraut an, ihnen hinterher zu laufen, sich um sie zu bemühen, mit ihnen zu streiten, Probleme für sie zu lösen, alles zu tun, um ihre Aufmerksamkeit zu bekommen und mich dabei selbst ständig zu beschämen.
Die einzige Möglichkeit diesen Teufelskreis zu beenden, ist, sie erstmals genauso zu sehen, wie sie wirklich sind mit all ihren tiefen, ungeheilten Wunden, ihrem Hunger, ihren Schmerzen und Begrenzungen, ihren Überzeugungen, ihrer Bedürftigkeit. Genau wie ich! Sie können meine Bedürfnisse nicht erfüllen, weil auch sie kaum jemand wirklich gesehen, geliebt, respektiert geschweige denn emotional versorgt, ja, häufig beschämt, verspottet, für ihre Bedürfnisse bestraft oder verachtet hat.
Und weil sie nicht klar sehen und/oder immer wieder vergessen, wer oder was sie wirklich sind: Bedingungslose Liebe, unendlich weiter Raum, unglaubliche Schönheit – selbst, wenn sie vorgeben, zu sehen, bewusst und klar zu sein (genau wie ich). All das zu erkennen, ja, es vor mir selbst zuzugeben ist nicht ohne – das ist „mit“. Denn es bedeutet, mich der schonungslosen Realität zu stellen und damit all deine Wünsche, Projektionen, Ideale und Hoffnungen, die ich bisher nach außen gerichtet habe, zu mir zurückzunehmen. Mich gänzlich auf mich zurückgeworfen erleben und leben lassen. Ganz alleine, nicht mal eben ein paar Stunden, sondern Tage, Wochen bis auf weiteres, was weiß ich.
Das heißt, es geht darum (an)zuerkennen und zu betrauern, dass ich NIEMAL etwas bekommen kann, gleichgültig wie sehr ich mich auch anstrenge oder bemühe, und, vor allem, dass ich selbst jetzt der/die Vater/Mutter, Erwachsene, FreundIn, Partnerin, Geliebte, ja die Familie bin, die ich bisher im Außen so eifrig gesucht habe. Das fühlt sich wie Sterben an, wie eine schreckliche Enttäuschung. Und es realisiert, ich bin und bleibe ganz alleine, das wars, nur ich hier und zwar für immer voll und ganz alleine verantwortlich.
In dieser Ernüchterung, befreit von meinen Wünschen noch etwas zu bekommen, erlöst von allen unermüdlichen Versuchen, auch allen Versuchen mich zu was besseren, liebbaren, friedlicheren, achtsameren Wasauchimmer zu machen fehlt erstmal jeder Antrieb. Damit bin ich auch bereit, die uralte Reinszenierung und damit eine sich ständig wiederholende Beschämung und Selbsterniedrigung zu beenden. Die Angst fällt weg, die Unsicherheit, weil ich bin ja sicher darin nichts zu bekommen, was ich mir nicht selbst gebe.
Selbstversorger sind sie die einzigen, die satt werden und damit im Frieden mit sich und ihrer Umwelt sein können – bis zum nächsten Mal. Denn, wie ich bisher nicht müde werde zu wiederholen: Befreiung findet nicht einmal und damit für immer statt. Sie braucht den ganzen Mut, meine Wahrhaftigkeit und bedingungslose Hingabe in jedem Moment, bis zum letzten Atemzug.
Immer wieder und vorallem an den zahlreichen Tiefpunkten innehalten und eingestehen: Diese Art des Habenwollens ist unmöglich, das mich Loslassens war ein Los-Werden-Wollen. Es war lieblos. Es war ein Kampf gegen mich selbst. Und unglaublich, aber wahr: Man kann nahezu alles als eine Überlebensstrategie benutzen. Und es hilft nichts bzw. maximal kurzfristig erleichtert es ein wenig.
Meine Wahrheit am eigenen Grund: Alles, was ich jemals erlebt habe, wird immer ein Teil von mir bleiben. Das wahre Loslassen geschieht, wenn ich all meine Gefühle, alle Anteile zu mir nehme. Mit allen Zuständen, vor allem der Ohnmacht, dem nichts mehr tun, lassen, bewirken, verändern, verbessern können, da zu sein. Wenn ich sie einatme, sie in mein Herz kommen, ich mich mit ihnen energetisch verbinde, mir erlaube genauso zu sein wie ich bin, dann nährt mich das tatsächlich. Und die Verletzungen ebenso wie alle (Ab)Spaltungen spüren „ich darf für immer bleiben“ selbst wenn sonst niemand mit mir bleibt, wei ich eben so bin wie ich bin. Wenn ich wirklich genauso sein darf wie ich bin, lasse ich mein Verwundetes und Begrenztsein zu. Und was daraus wird ist komplett offen, es kann Neu werden. Es wird magisch, weil es unbekannt ist.
Loslassen geschieht, wenn ich entscheide mich bedingungslos anzunehmen. Dies wird zu einem fortwährenden Akt der Liebe. Denn diese Entscheidung braucht es nicht nur ein Mal. Sondern jetzt. Und wieder jetzt. Und jetzt. Und jetzt…
Dazu wird in diesem Prozess auch klar, dass ich nicht nur die unangenehmen Traumagefühle und einengenden Überlebensstrategien loslassen darf, sondern auch alle Identifikationen mit den „schönen“ Dingen, spirituellen Konzepten, Glaubensrichtungen, Erkenntnissen und Visionen. Denn sonst kommt der Verstand vorbei und bemächtigt sich dieser, lädt sie mit Bedeutung auf. Und damit kommt die Energie wieder ins Stocken. Mitsein und alle gehen (und kommen) lassen, alles lassen, vorallem mich lassen, einfach nur da sein lassen. Das Leben durch mich wirken lassen, das ist liebevolles Loslassen.
Es ist alles okay, auch wenn nichts okay ist. Lassen, atmen, seufzen, sein, lassen. Ich bin zuhause und frei jetzt nur und immer nur jetzt. Leben ist kein Zustand, den wir „lösen“ oder „überwinden“ müssen. Sie ist ein Prozess, den wir durchleben dürfen, müssen, können im Ausmaß unserer eigenen Annahme.